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Der Gewichtsk(r)ampf – der Stress mit den Zahlen

Fragt man Eltern gesunder, essender Kinder, wie viel ihr Kind wiegt und wie groß es ist, kann die Frage meist nur mit ungefähren Angaben beantwortet werden. Erkundigt man sich gar nach der Perzentile, ist der Ausdruck vielen Eltern unbekannt. Wenn man dann noch nach der täglich aufgenommen Kalorienmenge fragt, erhält man meist ein “keine Ahnung, ausreichend” als Antwort.

Ganz anders ist es bei Eltern von Kindern, die mit einer Erkrankung oder Fehlbildung geboren wurden und/oder die Essproblem aufweisen, oder gar sondenernährt werden. Jeder Tag ist von Zahlen bestimmt – das Gewicht wird mehrmals wöchentlich gemessen, die Kalorienanzahl der Sondennahrung berechnet (wehe, das Kind erbricht die Nahrung, dann misslingt die Kalkulation!), Mengenangaben für die einzelnen Mahlzeiten werden kalkuliert.

Dass dies Stress verursacht, scheint offensichtlich.

Gerade Kinder, die schon klein und leicht geboren werden, stehen im besonderen Fokus – nimmt das Kind genug zu? Isst/trinkt es genug? Verträgt es die Sondierung? Da kann es schon dazu kommen, dass die Eltern den Großteil des Tages damit beschäftigt sind, die berechnete Menge “in das Kind zu bekommen” – doch Kinder sind keine Gefäße, die man nach Belieben füllen kann!

Oftmals funktioniert die Berechnung nicht, sei es, weil das Kind schlichtweg die Nahrung, verweigert, ausspuckt oder erbricht. Auch kann es sein dass das Kind trotz ausreichender kalorischer Zufuhr einfach nicht zunimmt.

Gerne verwendet werden die gefürchteten Perzentilenkurven – doch was hat es damit auf sich? Diese Kurven wurden anhand der Daten von Tausenden gesund geborenen Kindern und ihrem Wachstum ermittelt. Es gibt verschiedenste Kurven, etwa von der WHO (Weltgesundheitsorganisation), aber auch Kurven die z.B. nur im deutschen Sprachraum validiert wurden. Das bedeutet, dass die Daten von nur deutschsprachigen Kindern herangezogen wurden.. Es gibt aber auch eigene Kurven für Kinder anderer Herkunft z.B. türkische Kinder. Insgesamt zeigt sich, dass mit diesen unterschiedlichen Kurven man mit denselben Daten zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann. So kann es z.B. auch sein, dass man durch das Benutzen unterschiedlicher Waagen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.

Nun, was bedeutet es eigentlich, wenn ein Kind mit seinem Gewicht auf der 3. Perzentile liegt? Dies besagt, dass 97% der gleichaltrigen, gesunden Kinder schwerer sind, 3% sind gleich schwer oder leichter. Hier fließt aber nicht die jeweilige Krankengeschichte des Kindes mit ein. Man muss daher immer im Kopf behalten, dass sich die Perzentilenkurven auf gesunde Kinder beziehen und oft scheint es nahezu unfair sie bei Kindern, die etwa viel zu früh, small for date oder mit einem schweren Herzfehler geboren wurden, anzuwenden. Für Kinder mit genetischen Syndromen gibt es teilweise eigene Kurven, leider werden diese oftmals nicht angewandt.

Viele Eltern berichten, dass sie darunter leiden, dass “nur auf die Kurven geschaut”, nicht aber das Kind in seiner Gesamtheit wahrgenommen wird. Wichtig ist es, neben den Wachstumsparametern noch andere Variablen zu erheben:

  • Wie entwickelt sich das Kind allgemein?
  • Was macht die motorische Entwicklung?
  • Wie ist sein körperlicher Zustand?
  • Wie ernährt es sich aktuell?
  • Wie war die Gedeihsituation in der Vergangenheit?

 

Natürlich kann Sondenernährung bei schwer mangelgewichtigen Kindern notwendig und medizinisch indiziert sein. Sie aber als alleinige “Lösung” für eine Gedeihproblematik zu sehen, kann zum Problem werden. In einer rezenten Studie konnten wir zeigen, dass 30% einer Gruppe von Kindern trotz vollständiger Sondenernährung mangelernährt sind. Dies ergibt sich daraus, dass viele Kinder die Sondennahrung schlecht vertragen und teilweise zig Mal am Tag erbrechen. Im Weiteren darf das Faktum, dass bei der Sondenernährung der orale Trakt sowie die Speiseröhre komplett umgangen werden, nicht vergessen werden. Zudem sind sondenernährte Kinder oft nicht engmaschig diätologisch betreut, was dazu führt, dass die Sondenernährung nicht dem steigenden Alter und Längenwachstum des Kindes angepasst wird.

Wenn ein Kind bereit zur Sondenentwöhnung ist es also auch wichtig, die Eltern von den Fixierung auf die Zahlen zu “entwöhnen” – und zu lernen, Ihrem Kind zu vertrauen.

Hier ist oftmals professionelle Hilfe notwendig, die wir gerne bieten.